Ende April 2023 hatten wir in Österreich so viele unselbständig Beschäftigte wie nie zuvor – knapp vier Millionen. Aber nicht nur die absolute Zahl ist auf einem Rekordniveau, sondern auch die Erwerbsquote, also die relative Zahl der Beschäftigten zur Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung. Sie beträgt 77,5%. Bis Ende des Jahrzehnts soll sie in Richtung 80% gehen; dieses Ziel hat sich Österreich im Nachgang des EU-Porto-Gipfels gesetzt. Derzeit sind 83,3% der erwerbsfähigen Männer beschäftigt und 71,6% der Frauen. Entgegen der weitverbreiteten und falschen Wahrnehmung, dass immer weniger Menschen arbeiten: Fast ganz Österreich im erwerbsfähigen Alter arbeitet.
Ein Grund für die hohe Erwerbsquote ist das Erfolgsmodell Teilzeit. In den letzten Jahrzehnten wurden damit hunderttausende Frauen zusätzlich am Arbeitsmarkt integriert, die davor nicht erwerbstätig waren. Gemeinsam mit einer wachsenden Bevölkerung hat die Teilzeit zu einem massiven Anstieg der Beschäftigung geführt und die Zahl der unselbständig Beschäftigten seit dem Jahr 1955 von etwa zwei Millionen auf vier Millionen verdoppelt.
Das wird nicht so weitergehen. Zum einen nähert sich die Erwerbsquote der Frauen jener der Männer – der Spielraum für zusätzliche weibliche Erwerbstätigkeit wird geringer, auch wenn der Unterschied immer noch mehr als zehn Prozentpunkte beträgt. Aber die Frauenbeschäftigung ist in allen EU-Ländern geringer als die Männer-Beschäftigung. Zum zweiten wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aufgrund der anstehenden Pensionierung der geburtenstarken 1960er Jahrgänge und kleinerer Geburtskohorten vor etwa 15-25 Jahren, die nun auf den Arbeitsmarkt kommen, absolute gesehen abnehmen. Das heißt, selbst wenn die Erwerbsquote steigt, wird die Zahl der Beschäftigten, je nach Umfang des Zuzugs nach Österreich, stabil bleiben oder sogar leicht sinken.
Da in den letzten Jahren ein starker Trend zur Teilzeit beobachtbar ist, insbesondere bei jenen, die keine Betreuungspflichten haben, sinkt das gesamte Arbeitsvolumen in Österreich leicht, obwohl jedes Jahr viel mehr Menschen arbeiten – im Durchschnitt der letzten zehn Jahre waren das zusätzliche 45.000 Beschäftigte in Österreich jedes Jahr. Gleichzeitig nimmt die gesamtwirtschaftliche Produktivität (das Ergebnis pro Arbeitseinheit) viel langsamer zu als noch vor einigen Jahrzehnten.
Alle diese Entwicklungen zusammengenommen, bedeutet das: Die Teilzeit war ein Erfolgsmodell zur Integration am Arbeitsmarkt. Sie wird weiter ein wichtiges Modell für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich sein – derzeit mehr als 1,3 Millionen. Aber wenn der aktuelle Trend zur freiwilligen Teilzeit anhält, sehen wir nicht nur eine Verschärfung der aktuellen Personalknappheit, sondern laufen auch in Probleme bei der Finanzierung unseres Sozialsystems, das sich ja weitgehend aus Beiträgen speist, deren Höhe vom Einkommen und damit vom Arbeitsvolumen in ganz Österreich abhängt.
Keine einfachen Lösungen
Wie so oft, gibt es keine einfachen Lösungen. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wenn von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern aus verschiedenen Branchen über den Trend zur Teilzeit lamentiert wird – als ob das Lamento über eine mutmaßlich (!) weniger leistungsorientierte Jugend von heute irgendetwas ändern würde. Aus meiner Sicht haben wir es mit einem Dreiklang an Lösungsansätzen zu tun: Erstens muss es die Möglichkeit für möglichst viele Beschäftigte geben, Vollzeit zu arbeiten bzw. das Stundenausmaß auszuweiten. Die Beschleunigung des Kinderbetreuungsausbaus, qualitativ hochwertig und zeitlich flexibel im Angebot, ist dafür eine zentrale Voraussetzung. Zweitens brauchst es die richtigen Anreize – hier geht es um die steuerliche und abgabenmäßige Belastung von Arbeit und die Zerstreuung des Eindrucks, dass sich Leistung nicht (mehr) lohnen würde. Dieser Aspekt ist besonders wichtig im Zusammenhang mit der so genannten „Teilzeitfalle“, also dem Phänomen, dass jemand, der – aus welchen Gründen auch immer – eine Zeitlang in Teilzeit gearbeitet hat, es nicht attraktiv findet, das Stundenausmaß wieder aufzustocken. Und drittens wird man neue Lösungen finden, um Arbeit – neben den finanziellen Aspekten – in allen anderen Aspekten attraktiver zu machen und damit gerade die jüngere Generation ansprechen. Alle drei Lösungsansätze erfordern nicht nur politische Maßnahmen, sondern selbstverständlich auch Maßnahmen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie motivierende Führungspersönlichkeiten nicht nur im Top-Management, sondern auf allen Ebenen.
Und trotz der großen Herausforderungen aufgrund der demographischen Entwicklung glaube ich, dass sich der Arbeitsmarkt, die Gesellschaft und Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber so anpassen werden, dass für alle ein Fortschritt erkennbar sein wird, auch wenn es immer wieder neue Formen der Arbeit und Arbeitsorganisation gibt. Der große Vorteil einer ökosozialen Marktwirtschaft, eingebettet in eine Demokratie, ist ganz generell ihre Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, gerade in herausfordernden Zeiten. Was wir dafür brauchen, ist eine offene Diskussion über Maßnahmen mit hochgefahrenen ideologischen Scheuklappen, an der sich möglichst viele beteiligen.
Foto: Envato Elements/svitlanah