Immer dann, wenn aufgrund der wirtschaftlichen oder der demographischen Entwicklung die Arbeitskräftelücke größer wird, gibt es vermehrte Anstrengungen, den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung auszuweiten, der auch tatsächlich am Arbeitsmarkt tätig ist. Als vor gut 40 Jahren der Arbeitsmarkt in Österreich noch – im Vergleich zu heute – sehr männlich dominiert war, startete der Trend zur Teilzeitarbeit von Frauen, der bis heute anhält (von etwa 15% Teilzeit auf 50% Teilzeit). Jetzt, wo das geleistete Arbeitsvolumen aufgrund der demographisch bedingten Pensionierungswelle strukturell zu gering und im nächsten Aufschwung diese Knappheit in einigen Bereichen dramatisch zu werden droht, wird intensiv über mehr Vollzeit, Arbeiten im Alter und über Fachkräftemigration diskutiert.
Ich verstehe gut, wenn Teile dieser Diskussionen von Frauen als etwas heuchlerisch empfunden werden, folgen sie doch einer Logik, die vom Schließen von Lücken ausgeht, und verständlicherweise sieht sich niemand gerne als Lückenbüßer. Ein erster wichtiger Schritt wäre daher, dass wir die Debatte grundsätzlich auf jenen Aspekt konzentrieren, der unabhängig vom aktuellen Arbeitskräftebedarf relevant ist, etwa die Erwerbsarbeit als zentrales Element für die finanzielle Unabhängigkeit. Aus diesem Gesichtspunkt heraus (und auch aus anderen) ist meines Erachtens eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen schon immer wünschenswert gewesen.
Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt
Hindernisse beim Erreichen der Ziele einer höheren Frauenbeteiligung am Arbeitsmarkt und der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt sind vielfältig und weitgehend bekannt. Einerseits betreffen sie das Arbeitsangebot, andererseits vor allem den Lohn beziehungsweise den Unterschied zwischen Männererwerbseinkommen und Frauenerwerbseinkommen („Gender Pay Gap“).
Das wahrscheinlich größte Hindernis hängt mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zusammen. Der Anteil der Frauen an der Nichterwerbsarbeit im Haushalt – Kinderbetreuung, Pflege, Haushaltsarbeit und Ähnliches – ist höher als jener der Männer, wie auch die letzte große Zeitverwendungsstudie gezeigt hat, deren Ergebnisse vor kurzem von der Statistik Austria veröffentlich wurden (https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/zeitverwendung). Neben dem raschen Ausbau des öffentlichen Kinderbetreuungs- und Kinderbildungsangebots vom Kleinkindalter bis zum Schulalter und dem Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, das das öffentliche Angebot ergänzt, braucht es aus meiner Sicht eine ausgeprägtere Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung, um den Gender Pay Gap zu schließen. Wir wissen, dass sowohl die Lohnschere zwischen Frauen und Männern als auch die hohe Teilzeitquote von Frauen ursächlich mit einer vergleichsweise geringen Väterbeteiligung zusammenhängen. Bei einer höheren Väterbeteiligung macht der Ausbau der Kinderbetreuung für beide Geschlechter – bei voller Wahlfreiheit – ein höheres wöchentliches Arbeitsvolumen möglich.
Der Motherhood Pay Gap und drei mögliche Hebel
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern im Erwerbseinkommen hat viele Gründe: Berufswahl, Arbeitszeit, Karriereunterbrechungen, aber auch diskriminierende Elemente in der Arbeitswelt. Transparenz über Frauen- und Männereinkommen kann dabei helfen, die Gleichstellung voranzutreiben, aber ihr Beitrag sollte nicht überschätzt werden. Kontrolliert man für alle Faktoren, so sieht man, dass der Gender Pay Gap vor allem ein Motherhood Pay Gap ist. Das heißt, dass sich die Schwere im Lohn zwischen den Geschlechtern nach der Geburt von Kindern auftut. Der nicht-erklärbare Anteil dieser Schere liegt irgendwo zwischen drei und acht Prozent – einen Teil davon kann man auf Diskriminierung zurückführen. Immer noch zu viel, aus meiner Sicht – daher braucht es weiter starke Institutionen und Interessensvertretungen, die Frauen unterstützen, die am Arbeitsmarkt diskriminiert werden.
Die stärksten Hebel sind aber die folgenden drei: die Berufswahl, die flächendeckende Verfügbarkeit von qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung und -bildung sowie eine stärkere Väterbeteiligung. Diese stärkere Väterbeteiligung erfordert ein gesellschaftliches Umdenken, aber auch ein Umdenken bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Glücklicherweise sehen wir unter anderem einen stetigen Anstieg bei den Väterkarenzen, aber der absolute Anteil an allen Elternkarenzen ist immer noch vergleichsweise gering.
Der von der Bundesregierung fixierte und im Finanzausgleich verankerte Ausbau der Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Baustein. Dabei dürfen alle Beteiligten nicht vergessen, dass der Ausbau der Angebote manchmal an zu wenigen Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen scheitert. Hier gilt es meiner Meinung nach neben dem etablierten Weg der diplomierten Fachkräfte andere kürze Ausbildungswege in die relevanten Bereiche zu schaffen. Und natürlich muss es gelingen, die betreffenden Berufe attraktiv(er) zu halten – eine wichtige Aufgabe für die Träger der Einrichtungen und die Sozialpartner.
Und was die Berufswahl betrifft, so hat sich herausgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, die oft im Kindesalter bestehenden Interessen von jungen Mädchen für jene Berufe aufrecht zu erhalten, die üblicherweise eher männerdominiert sind, eher technisch orientiert sind und höhere Löhne versprechen. Auch die wissenschaftliche Forschung hat dazu einiges an Erkenntnissen beigetragen, aber alle Interventionen haben begrenzte Wirkung, weil gesellschaftliche Geschlechterstereotype unbewusst durch Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und Freundinnen und Freunde vermittelt werden. Wahrscheinlich am stärksten wirken Vorbilder, die Role Models. Das gilt für beide Geschlechter: Väter, die in Führungsfunktionen in Karenz gehen, und Frauen, die Führungsfunktionen übernehmen. Eine kürzlich von der EU verabschiedete Richtlinie bezüglich Frauen in Führungspositionen erfordert auch von Österreich Anpassungen. Im Bereich der Aufsichtsräte, gerade in öffentlichen Unternehmen, bei denen der Frauenanteil in Österreich über 50% liegt, hat sich in den letzten Jahren einiges zum Besseren gewendet. Der verpflichtende gesetzliche Anpassungsbedarf auf Basis der Richtlinie ist daher für Österreich gering. Um mehr weibliche Vorbilder in Führungsfunktionen zu haben, sollten wir uns die deutsche Regelung zur Vertretung von Frauen in Vorständen großer, börsennotierter Unternehmen genauer ansehen. Eine 1:1-Kopie der Regelung ist für Österreich wahrscheinlich nicht zweckmäßig, aber klare Zielsetzungen und Verpflichtungen zum Ausbau des Anteils weiblicher Führungskräfte in den Vorständen wären ein wichtiges Signal.
Der Pfad in Richtung Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt ist vorgegeben, aber das Tempo der letzten Jahrzehnte war oft zu langsam. Die Bundesregierung hat dieses Tempo in den letzten Jahren an mehreren Stellen erhöht. Auch in der kommenden Legislaturperiode geht es darum, die richtigen gesellschaftlichen und gesetzlichen Schritte zu setzen.
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