Es ist völlig unbestritten, dass sich unsere Erde aufgrund des menschengemachten Klimawandels gefährlich erwärmt und dass der hohe Ausstoß an Treibhausgasen dafür hauptverantwortlich ist. Die wissenschaftliche Evidenz dafür ist überwältigend. Die Folgen der Erderwärmung sind für weite Teile der Welt dramatisch, und auch die möglichen (und schon existierenden) wirtschaftlichen Folgen sind enorm. Es ist also notwendig, Maßnahmen zur Reduzierung des Treibhausgasaustoßes zu setzen. Soweit ist das von allen vernünftigen Menschen anerkannt.
Wenn man über die richtigen politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen spricht, ist es entscheidend, die Natur das Problems zu verstehen. Treibhausgase sind ein sogenanntes „public bad“. Jede und jeder leidet darunter – zwar in unterschiedlichem Ausmaß, je nach geographischer Lage – egal ob sie oder er selbst viel oder wenig Treibhausgase verursacht. Wenn wir über die Erderwärmung sprechen, handelt es sich sogar um ein „global public bad“. Das heißt, ob die Treibhausgasemissionen in Zwettl oder in Zhengzhou passiert, ist letztlich ziemlich egal. Das heißt im Umkehrschluss, es ist auch für das globale Klima ziemlich egal, wo die Treibhausgasemissionen zurückgehen – Hauptsache sie gehen zurück.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist damit möglicherweise das erste wirklich globale Ziel, das die Menschheit erreichen muss (der Kampf gegen nukleare Aufrüstung oder das FCKW-Verbot zur Schließung des Ozonlochs weisen aus ökonomischer Sicht ähnliche Charakteristika auf, allerdings mit etwas anderen Voraussetzungen). Jedenfalls gilt ein grundsätzliches Prinzip, das allgemein bekannt ist: die Verhinderung von Trittbrettfahrern. Da die Reduzierung des Treibhausgasausstoßes für die Betroffenen individuell kostspielig ist (aber gesellschaftlich nützlich), hat jede oder jeder einen starken Anreiz, selbst möglichst wenig beizutragen und damit keine (wenige) Kosten auf sich zu nehmen und darauf zu hoffen, dass alle anderen möglichst viel beitragen (und die Kosten auf sich nehmen). Wenn aber alle so denken, dann kommt die notwendige Reduktion nicht zustande, weil jede oder jeder wenig oder gar nichts beiträgt (keine Kosten auf sich nimmt) – ein sogenanntes soziales Dilemma oder Gefangenendilemma. Wer schon einmal eine Teamarbeit zu machen hatte, bei der die individuellen Beiträge nicht eindeutig zuordenbar sind und damit nicht kontrahierbar waren, der kennt soziale Dilemmata und das Trittbrettfahrerproblem: Niemand möchte der „Dumme“ sein und mehr beitragen als die anderen. Die Schwierigkeit des globalen Problems Klimawandel ist, dass Milliarden Menschen und viele Länder, eingedenk des Dilemmas, Entscheidungen über die Reduktion von Treibhausgasen treffen, die jeweils unterschiedliche Kosten und Nutzen der Reduktion von Treibhausgasemissionen haben.
Die Ökonomik von „externen Effekten“
Bevor wir über konkrete Maßnahmen sprechen, ist es hilfreich, die Frage zu beantworten, wie die Wirtschaftswissenschaft an die Lösung des Problems herangeht (übrigens wurden Grundlagen dazu schon 1920 von Arthur Cecil Pigou gelegt). Entscheidend ist vor allem, dass die individuellen Kosten von Treibhausgasausstoß den gesellschaftlichen Kosten entspricht – daher macht eine Bepreisung grundsätzlich Sinn (wie sie genau aussehen sollte und welche Fairnessaspekte zu berücksichtigen sind, würde einen eigenen Blog-Beitrag erfordern). Klar ist, dass es jedenfalls optimal (nicht unbedingt fair) wäre, wenn zuerst jene Treibhausgasemissionen reduziert werden, deren Reduktion mit den geringsten Kosten verbunden sind, wobei der Kostenbegriff auch hier durchaus weit gefasst werden und damit auch gesellschaftliche/politische Kosten beinhalten kann, nicht nur private Kosten. Das ist etwa so, als ob der Klügste zur Gruppenarbeit am meisten beiträgt. Ist das immer fair? Nur bedingt. Die Hauptlast der Reduktion läge bei weniger reichen Staaten. Daher baut der gesamte internationale Prozess seit dem Kyoto-Protokoll zur Begrenzung der Erderwärmung auf einem zentralen Konzept der Verhaltensökonomik auf: konditionale Kooperation. Jeder Staat trägt zur Reduktion bei, das Ausmaß des Beitrags ist unterschiedlich, aber jeweils den Möglichkeiten angemessen. Konditionale Kooperation ist wohl der einzige realistische Weg zur Überwindung des Trittbrettfahrer-Problems, wenn es keine Instrumente oder Institutionen gibt, die einen Beitrag „erzwingen“ können (wie solche Institutionen entstehen könnten, ist eine spannende Frage für sich, die mich in meiner Forschung über Jahre hinweg beschäftigt hat). Konditionale Kooperation funktioniert aber nur dann, wenn sich alle wichtigen Staaten – also jene mit hohen Treibhausgasemissionen – beteiligen.
Ökonomisch wäre es übrigens jedenfalls effizienter, wenn reiche Staaten möglichst umfangreich Emissionsreduktionsmaßnahmen in weniger entwickelten Staaten unterstützen oder finanzieren würden, weil dort die Kosten der Reduktion geringer sind. Dass dieser Aspekt zu wenig diskutiert wird, erscheint mir offensichtlich. Um starke Effekte zu erzielen, braucht es rasch Maßnahmen.
Verzicht und Technologie
Über den manchmal geforderten Verzicht in der sogenannten ersten Welt werden die Klimaziele weder ökonomisch, noch politisch erreichbar sein. Manchmal erscheint mir die Verzichtsdiskussion ein wenig der Logik des mittelalterlichen Ablasses zu folgen. Wer den Eindruck vermittelt, dass in Österreich 100km/h Höchstgeschwindigkeit zu weniger dramatischen Gewittern und Überschwemmungen führt, der argumentiert unterkomplex bzw. schadet sogar der Sache, weil damit vermittelt wird, ein globales Problem könnte vor allem regional gelöst werden. Es ist auch nicht zwingend so, dass die subjektiv unangenehmsten Einschnitte, also persönlichen Opfer, die größten CO2-Einsparungen bewirken. Wobei es natürlich verständlich ist, dass Menschen angesichts der Naturkatastrophen „Kontrolle“ über die Entwicklung des regionalen Klimas vermitteln möchten und deshalb ihren persönlichen, wichtigen Beitrag hervorheben.
Ich möchte nicht falsch interpretiert werden. In einem Mix an unterschiedlichen Maßnahmen und Reaktionen wird auch die Veränderung des Lebensstils eine Rolle spielen. Dafür braucht es aber keine Bußakte, sondern intelligente, wirksame und effiziente Vorschläge, die breite Akzeptanz finden. Denn wer durch eine Verzichtsdiskussion nur auf diesen Lebensstil abstellt, gefährdet die Erreichung ambitionierter Ziele. Selbst wenn in Europa alle den Lebensstil radikal verändern, bringt das global gesehen relativ wenig. Und von stark wachsenden Staaten in Asien oder im globalen Süden zu erwarten, dass sie Annehmlichkeiten wie Klimaanlagen, Individualverkehr etc. gar nicht in Anspruch nehmen, um einen Anstieg an Treibhausgasemissionen zu verhindern, ist wohl beides, naiv und sogar ein wenig post-kolonialistisch. Ganz abgesehen davon, dass umfangreicher Verzicht auch in reichen Gesellschaften kein Mehrheitsprogramm ist.
Was in Österreich und Europa passiert
Umso wichtiger ist es daher aus meiner Sicht, dass wir hier in Europa noch viel stärker auf Forschung, Entwicklung und Innovation zur Erreichung der Klimaziele setzen – technologieoffen, dem Ziel der Reduktion verpflichtet. Nur so wird Klimaschutz auch global funktionieren und mehrheitlich unterstützt werden. Mit der Klima- und Transformationsoffensive hat Österreich ein Instrument, das bis 2030 mit 5,7 Milliarden dotiert ist und damit, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, einen ähnlichen Umfang aufweist wie der US-amerikanische Inflation Reduction Act, mit einem starken Forschungsanteil. Zusätzlich gibt es weitere Forschungsanzreize in Österreich, etwa die Forschungsprämie für Unternehmen (eine indirekte Förderung), die mittlerweile mehr als eine Milliarde pro Jahr ausmacht. Daneben gibt es die direkte Förderung der angewandten Forschung. Der relevante Ansatz im Budget des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft für die angewandte Forschung – die Untergliederung 33 – wurde von 2022 auf 2023 um etwa 60% erhöht, von weiteren Spezialprogrammen und natürlich der Grundlagenforschung gar nicht zu sprechen. Und private Unternehmen wenden jedes Jahr weitere Milliarden für die Forschung zur Beschleunigung der Dekabonisierung auf.
Was technologisch in 10, 20 Jahren möglich sein wird, wissen wir nicht. Aber die gemeinsame Anstrengung – der öffentlichen Hand, von privaten Unternehmen, von Forscherinnen und Forschern – die sich abzeichnet, macht mich optimistisch, dass wir die Möglichkeiten haben werden, die Klimaziele zu erreichen. Eine pragmatische Mischung aus Technologieentwicklung, Bepreisung von Treibhausgasemissionen und Subventionen für den raschen Umbau der Wirtschaft kann Europa und Österreich wettbewerbsfähiger und klimaneutral machen. Wir müssen und können die Chancen aus dieser Entwicklung nutzen. Entscheidend wird sein, für diese pragmatische Mischung an Instrumenten so um Unterstützung zu werben, dass sie klare demokratische Mehrheiten hat, abseits der populistischen Ränder.
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